Misserfolg – wie benennen?

Misserfolg und Scheitern sind unpopulär

Ganz abgesehen davon, dass Misslingen uns selbst quält – es gehört sich einfach nicht, zu scheitern! Sagt wer?

Einige Menschen um uns herum schwächen uns noch mal zusätzlich. Indem sie immer wieder darauf zu sprechen kommen oder sogar Dissen und Hänseln. Der ist halt ein Loser, Verlierertyp, Opfer. Der steht sich doch immer selbst im Wege! Der ist doch echt ein Erfolgs-Verhinderer!

Als ob wir nach dem Malheur nicht genug mit den Selbstzweifeln zu tun hätten…

In unfairen Verhandlungen werden frühere Misserfolge des Gegners (hier stimmt diese Bezeichnung – hoffentlich ist das die Ausnahme) erwähnt, um dessen Verhandlungsposition zu schwächen.

Denkfehler

Misserfolg ist eine Macke? So ein Unfug! Misserfolg als Charakter-Zug, als Persönlichkeits-Merkmal? Völlig haltlos.

Die Wahrheit nämlich ist eine ganz andere: Nur wer etwas versucht, kann etwas erreichen. Also MUSS auch immer wieder etwas misslingen. If not, dann stimmen die Ziele nicht. Oder so: Stellen Sie sich vor, es würde immer nach 2 Minuten ein toller Fisch anbeißen – würden Sie dann zum Angeln gehen?

Zeigen Sie mir einen Menschen, dem immer alles gelungen ist. Da sagte mir ein Arbeitgeber zu mir (ich war Bewerber), dass er Autorennen fahre und immer gewinne, wenn er antrete. Immer. Ich hatte Mühe, ab diesem Moment noch ein Wort zu glauben.

Die hohe Kunst ist eine andere: Aus Misserfolgen lernen, aus Scheitern sich selbst weiter entwickeln – so geht Wachsen.

Enttäuschung und Ärger nicht verdrängen

Wenn es nun passiert ist, bitte nicht versuchen, schnell alles zu verdrängen oder auch zu vertuschen. Klappt nicht. Ärger hinnehmen, Selbstzweifel ertragen. Traurigkeit braucht einen angemessenen Raum.

Gut verarbeiten

Nach der ersten Welle des Frusts kann die weitere Verarbeitung einsetzen. Dazu stelle ich jetzt gleich noch ein Instrument in die Top Tools, nämlich Umgang mit Misserfolg –das Modell „AUA“

Eigene Anteile kennen

Für das eigene Gefühl, das Denken und Beurteilen, für weitere Ziele und weiteres Handeln ist es wichtig, dass Sie es wissen: Wie kam es zu dem Misserfolg? Selbst Schuld? Längst nicht so oft, wie manche Rat-Schlag-Geber behaupten. Alles lag an den Anderen? Auch oft falsch. Meist liegen viele Gründe vor, hier wie dort.

Im Bewerbungsgespräch erst dann erwähnen, wenn gut verarbeitet

In Ihr Bewerbungsschreiben nehmen Sie in der Regel keine Schilderung von Misserfolgen!

Doch wenn das Thema im Gespräch darauf kommt: Cool bleiben. In Wirklichkeit steckt hinter der Frage nach Schwächen oder Misserfolgen nicht die Vermutung: „Die/der hat’s nicht drauf und das beweise ich jetzt!“ Sondern diese Frage bringt ein Ergebnis, das viel über den Menschen aussagt. Wie geht er damit um, wenn etwas nicht klappt? Wie groß ist die Frustrations-Toleranz? Sucht er Schuld ausschließlich bei anderen, lässt er sich schnell völlig aus der Bahn werfen – oder aber steht er wieder auf, berappelt sich, versucht es erneut oder anders.

Für die Zusammenarbeit im Team, für den Kontakt mit Kunden und auch für das Lösen anspruchsvoller Aufgaben ist das ganz wichtig.

Das Gute am Misserfolg

In der ersten Enttäuschung sehen wir das noch nicht. Doch mit etwas Abstand vielleicht doch. Auch ich bin in Bewerbungen abgelehnt worden, das war nicht schön. Inzwischen bin ich fast froh darüber: Es wäre gar nicht meine Arbeit gewesen. Ich fand einen anderen Weg, der aus heutiger Sicht viel besser zu mir passt und der mir sehr schöne Erfolge bescherte. Ich habe Zeit für Privates, verdiene genug und darf etwas arbeiten, was mir liegt und große Freude bereitet.

Daraus gelernt

Immer erweitert Misslingen unser Wissen. Und sei es nur: „Zumindest weiß ich, dass es SO nicht geht.“ Auch der Jura-Studienabbrecher (siehe Video) verfügt über juristische Kenntnisse, die kein Laie mitbringt. Das kann sehr wertvoll sein.

Stärken entstanden und/oder erkennbar geworden

Wer immer wieder etwas versucht, was eine Chance hat, beweist so etwas wie Beständigkeit, Durchsetzungsvermögen, Belastbarkeit. Ab und an sollte etwas gelingen (es müssen übrigens nicht immer Weltrekord, Nobelpreis oder No.1-Hit sein), sonst brauchen Sie eine Antwort auf die Frage: „Wieso versuchen Sie immer das, was nie klappt?“ Doch wer nach vielen vielen Versuchen einen Erfolg errungen hat, wird stolz. Das wirkt.